Aufruf aus der Wissenschaft: Da machen wir nicht mit!

Wir teilen hier einen Aufruf aus der Wissenschaft an alle Wissenschaftler*innen, sich dem Streik anzuschließen:

Wissenschaft hat ihre eigene Geschichte und Zeit. Sie tut gut daran, nicht jede tagespolitische Sprechblase zu kommentieren. Doch hat Wissenschaft sich auch um ihre eigenen Rahmen- und Arbeitsbedingungen zu sorgen.

Eine Beteiligung der AfD an einer sächsischen Landesregierung würde die Freiheit von Forschung und Lehre massiv bedrohen. Deswegen sagen wir schon jetzt: da machen wir nicht mit!

Um nicht erst hinterher, wenn es schon zu spät ist, aktiv zu werden, werden wir uns an dem Tag, an dem es in Sachsen zu Koalitionsgesprächen zwischen CDU und AfD kommt, demonstrativ verweigern: wir werden streiken.

Die AfD ist eine nationalistische, rechtskonservative Partei, in der auch rechtsextreme Positionen vertreten sind, die den ideologischen Zusammenschluss mit (neo)faschistischen Kreisen, wie beispielsweise der sog. „Identitäre Bewegung“, ermöglichen. Der dann auf der Straße praktiziert wird. Politik und Programmatik der AfD bedrohen die Arbeitsmöglichkeiten von Wissenschaftler*innen, von Lehrenden, Studierenden und Mitarbeiter*innen der Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen in erschreckender Weise.

Die AfD ist wissenschaftsfeindlich, ihr Programm sagt: „Das Pariser Klimaabkommen vom 12.12.2015 ist zu kündigen. Deutschland soll aus allen staatlichen und privaten „Klimaschutz“-Organisationen austreten und ihnen jede Unterstützung entziehen.“ (Wahlprogramm 2017, S. 87)

Damit ignoriert die AfD jahrzehntelange Forschung zur industriellen Erwärmung des Klimas, hält validierte Studien zum Klimawandel für Stimmungsmache und verhindert alle notwendigen Schritte, den Prozess der Klimaerwärmung zu bremsen. Was der AfD an wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht passt, wird als „Fake Science“ denunziert. Bei einer Regierungsbeteiligung der AfD ist davon auszugehen, dass entsprechende Forschungsprogramme und -einrichtungen finanziell eingeschränkt, dass Studien und Projekte massiv behindert und Forscher*innen unter Druck gesetzt werden. Der AfD-Parteifreund im populistischen Geist, Donald Trump, hat gezeigt, was passiert: renommierte Institute werden geschlossen, Haushaltsmittel gestrichen, Wissenschaftler*innen verunglimpft. Und es bleibt nicht bei der Klimaforschung. Naturparks werden verkleinert, ökologische Maßnahmen und Programme zugunsten wirtschaftlicher Ausbeutung reduziert. Da machen wir nicht mit.

Die AfD ist wissenschaftsfeindlich, ihr Programm zeigt: alle Wissenschaft, die nicht technisch und wirtschaftlich verwertbar ist, gilt als „ideologisch“. „Eine allgemeine Technologiefeindlichkeit wird durch die MINT-fernen Bedenkenträger allgegenwärtig geäußert.“ (Wahlprogramm 2017, S. 89) Dass Geistes- und Sozialwissenschaften einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Reflexion und Entwicklung leisten, ist der AfD nicht vorstellbar. Hier sieht sie nur Bedenkenträger. Mit besonderem Argwohn verfolgt sie (im doppelten Sinn des Wortes!) die Genderforschung. „Bund und Länder dürfen keine Mittel für die ‚Gender-Forschung‘ mehr bereitstellen und keine ‚Gender-Professuren‘ mehr besetzen. Bestehende Förderlinien sollen beendet werden, die der ‚Gender-Ideologie‘ verpflichteten ‚Gleichstellungsbeauftragten‘ an den Universitäten sind abzuschaffen.“ (Wahlprogramm 2017, S. 54) Was in jahrzehntelangen Kämpfen der Frauenbewegungen und der Sozialforschung erreicht wurde, soll mit einem Federstrich rückgängig gemacht werden. Da machen wir nicht mit.

Die AfD ist wissenschaftsfeindlich, ihr Programm zeigt: ihr Verständnis der „deutschen Leitkultur“ soll auch in den Hochschulen gelten: hier wird deutsch gesprochen! Der Verwendung der englischen Sprache als Medium wissenschaftlichen Austauschs will die Partei „entgegenwirken“ (siehe Wahlprogramm 2017, S. 63, 59). Von einer Internationalisierung der Forschung und einem internationalen Austausch im Studium will die AfD zurück zu einer nationalen Wissenschaft – das ist nicht nur wirklichkeitsfremd, sondern bedroht die aktiven wissenschaftlichen Netzwerke und Kooperationen. Eine Behinderung der internationalen scientific community durch bornierte Deutschtümelei gefährdet die Produktivität wissenschaftlichen Arbeitens. Da machen wir nicht mit.

Die AfD ist menschenfeindlich, ihr Programm zeigt das und ihre Politik realisiert es täglich: ihre rassistischen Positionen gegenüber vor Krieg, Not, Armut und Verfolgung geflohenen Menschen, der Hass auf Menschen anderer Glaubensrichtungen, die Verteufelung kultureller und sexueller Vielfalt, eine undemokratische Ideologie der Konkurrenz und Auslese – all das schafft heute schon ein gesellschaftliches Klima, dass für Hochschulen nicht akzeptabel ist: Wissenschaft muss frei und vielfältig sein! Das müssen wir in den wissenschaftlichen Einrichtungen erhalten und schützen.

Für die vielen gravierenden Probleme in Kontext von Wissenschaft, die uns tagtäglich beschäftigen, von der der Verschulung des Studiums, über die prekäre Beschäftigung wissenschaftlicher Mitarbeiter*innen bis zur unternehmerischen Strukturierung der Hochschulen, bietet die AfD keine Lösungen – im Gegenteil. Ihre wirtschaftsliberale Orientierung lässt befürchten, dass Wissenschaft und Bildung weiter zu Waren verkommen. Da machen wir nicht mit.

Deswegen werden wir an dem Tag, an dem es zu Koalitionsverhandlungen mit der AfD kommt, streiken. Das heißt, wir werden öffentlich demonstrieren, das wir da nicht mitmachen. Schon die bloße Absicht, eine national-völkischen Partei mit einem reaktionären bis faschistischen „Flügel“ an der Regierung zu beteiligen, zwingt uns deutlich zu machen, dass wir uns dem verweigern müssen: im Interesse einer demokratischen und weltoffenen Wissenschaft.

Wenn wir sagen, wir streiken, dann verstehen wir „Streik“ in diesem Sinn einer Verweigerung des Weitermachens, als würde nichts passieren, was die Wissenschaft im Kern bedroht. Wir werden diesen Tag nutzen, um in den Hochschulen, wissenschaftlichen Einrichtungen, den Bibliotheken, Hörsälen und Laboren und in der Öffentlichkeit, auf Plätzen und Straßen, über die Wissenschafts- und Menschenfeindlichkeit der AfD zu sprechen. Um deutlich zu machen, das geht nicht: nicht mit uns.

Wie die Aktionen der Verweigerung aussehen, wird von Ort zu Ort, von Gruppe zu Gruppe, unterschiedlich sein. Wir werden miteinander reden. Studierende mit Verwaltungsangestellten, wissenschaftliche Mitarbeiter*innen mit den Leitungen, technische Mitarbeiter*innen mit den Dozierenden – und alle miteinander. Wir werden uns streiten und damit deutlich machen, dass wir die Bedrohung der Freiheit des wissenschaftlichen Streits durch eine Beteiligung der AfD an einer Landesregierung nicht hinnehmen werden.

Wir wissen uns dabei nicht allein. Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, in Bildung und Kultur, aber auch in Verwaltungen und Unternehmen werden engagierte Menschen an diesem Tag aufstehen und mit ihrem Streik, ihrer demonstrativen Verweigerung deutlich machen, dass sie es nicht hinnehmen, wenn Menschenverachtung und Hass zum Regierungsprogramm werden sollen, dass sie bereit sind, sich zu wehren. Da machen wir mit.

#WIRSTREIKEN